Alternative Kraft- und Brennstoffe

Der Klimawandel ist die größte Herausforderung unserer Zeit. Die CO2-Emissionen von Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Energie tragen maßgeblich zu dessen Beschleunigung bei. An diesen Emissionen hatte der Verkehrssektor im Jahr 2022 einen Anteil von 20%. Dabei sind Pkw und Lkw effizienter geworden. Seit 1995 sanken laut Umweltbundesamt die kilometerbezogenen CO2-Emissionen bei Pkw um ca. 12% und bei Lkw um 8,5%. Allerding sind mittlerweile mehr Fahrzeuge unterwegs. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen die Antriebe klimaneutral werden. Der MEW setzt sich deshalb für eine technologieoffene und pragmatische Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen in der Mobilität ein.

Klimaneutrale flüssige Kraftstoffe können wesentlich zur Defossilisierung des Verkehrssektors beitragen. Ziel muss sein, die Treibhausgas-Emissionen so schnell wie möglich zu verringern – und das mit allen Optionen, die sich dafür anbieten: Elektrifizierung ist ein Weg, aber aus Sicht des MEW nicht der einzige. Klimaneutralität muss effektiv im Sinne des Klimaschutzes, effizient im Sinne der Nutzung vorhandener Möglichkeiten und erfolgversprechend im Sinne der Verbindung ökologischer als auch ökonomischer Zielsetzungen sein. Die Fokussierung allein auf Energieeffizienz greift aus unserer Sicht deshalb zu kurz. Der MEW fordert einen erweiterten Blick auf den gesamten Lebenszyklus von Fahrzeugen und darüber hinaus einen Blick auf Wertschöpfungsketten und deren Effizienz, in denen gerade Mittelständler wie die MEW-Mitgliedsunternehmen tätig sind.

Energie effizient zu nutzen ist deshalb nur eine Seite der Medaille. Betrachtet man den gesamten Lebenszyklus und die Wertschöpfungskette, sind sie genauso effizient wie Direktelektrifizierung oder Brennstoffzelle. Sie allein wird aber den Treibhausgasminderungen nur teilweise gerecht. Auf der anderen Seite stehen vorhandene Wertschöpfungsketten und Assets und somit reale Wirtschaftsunternehmen, europäische und internationale Zulieferketten, auf die eine vernetzte Volkswirtschaft angewiesen ist. Dies umso mehr als dass der Wandel der Energiequellen weg von fossilen Rohstoffen hin zu erneuerbaren ein neues globales Rennen um Ressourcen, Marktmächte und teilweise auch Gesellschaftsordnungen eröffnet hat.

In diesem Kontext bieten alternativen Kraftstoffe sehr viele Vorteile und können eine sinnvolle Ergänzung zur geplanten Elektrifizierung – nicht nur dort, wo der Elektromotor schwierig einsetzbar ist wie im Schwerlast-, Flug- und Schiffsverkehr und auch nicht nur für die Pkw-Bestandsflotte. Mobilität erfordert sowohl Elektronen als auch Moleküle.

Was sind alternative Kraft- und Brennstoffe?

Es gibt verschiedene Arten von alternativen Kraft- und Brennstoffen. Im besten Falle sind sie klimaneutral. Auf dem Weg zur Klimaneutralität werden aber auch jene Kraft- und Brennstoffe nötig, die weniger Treibhausgase emittieren. Diese Übergangsarten wie LNG (Liquified Natural Gas) und CNG (Compressed Natural Gas) sind auch fossilen Ursprungs (Erdgas) und müssen aus Sicht des MEW Übergangslösungen bleiben bis klimaneutrale Kraft- und Brennstoffe in ausreichendem Maße verfügbar sind. Sie werden hier nicht betrachtet.

Wirkliche langfristige Alternativen für Benzin, Diesel, LNG und CNG als Kraftstoffe dürfen kein zusätzliches CO2 in Atmosphäre einbringen, klimaneutral sein. Hier spielen zukünftig vor allem alternative Kraftstoffe aus erneuerbar erzeugtem Strom und aus biogenen Reststoffen eine Rolle (siehe Thema Biokraftstoffe und Positionspapier zur Zulassung von HVO100).

Was aber sind Kraftstoffe aus erneuerbarem Strom (E-Fuels), welche Vorteile haben Sie, wie ist es mit ihrer Effizienz, ihrer Verfügbarkeit und Perspektive?

 

Wie werden strombasierte Kraft- und Brennstoffe hergestellt?

Alternative strombasierte Kraft- und Brennstoffe werden mit Hilfe von erneuerbaren Energien synthetisch hergestellt. Dazu wird erneuerbarer Strom verwendet, um Wasser in seine Grundbestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen. Der so gewonnene Wasserstoff wird mit CO2 aus der Luft oder von industriellen Großemittenten zu Kohlenwasserstoffketten synthetisiert. Chemisch entsteht aus diesem Kohlenwasserstoff (CxHy – siehe Grafik) ein Rohölsubstitut, allerdings ohne die Verunreinigungen wie sie im fossilen Rohöl vorhanden sind wie bspw. fossiler Schwefel oder Stickstoffe etc. Aus diesem Grundstoff können in der Folge alle denkbaren Kohlenwasserstoffe hergestellt werden – allerdings klimaneutral und ohne fossiles CO2 in die Atmosphäre einzubringen. Klimaneutrale Kraftstoffe, Schmierstoffe, Grundstoffe für die chemische und pharmazeutische Industrie usw.

Diese E-Fuels sind in der Gesamtbilanz treibhausgasneutral, da bei der Verbrennung genau die gleiche Menge CO2 freigesetzt wird, wie zuvor durch den Syntheseprozess im Kraftstoff gebunden wurde.

Bei der Herstellung haben sich die drei unterschiedlichen Verfahren Power-to-X (PtX), Power-to-Liquid (PtL) oder Biomass-to-Liquid (BtL) etabliert. Anhand dieser drei Syntheseprozesse lassen sich E-Fuels allgemein also in drei Gruppen aufteilen.

Welche Vorteile haben strombasierte Kraftstoffe?

Diversifizierung der Energieversorgung und Versorgungssicherheit

Auch mit den ambitioniertesten Ausbauplänen für Erneuerbare Energien wird Deutschland nicht energieautark. Der Gesamtenergieverbrauch in Deutschland wird derzeit v.a. aus fossilen Energiequellen gespeist. Diese komplett durch erneuerbare Energien heimischer Produktion zu ersetzen ist nicht möglich. Ein Großteil des Endenergiebedarfs von geschätzten 1850TWh in 2050 wird importiert werden müssen.

Deutschland bleibt also von Importen abhängig. Sonne und Wind gibt es ausreichend – allerdings in anderen Regionen der Welt. So können Deutschland und die EU die Energieversorgung breit aufstellen und unabhängig von einzelnen großen Lieferanten werden. Dies erfordert allerdings die richtigen Weichenstellungen.

Die importierte Energie kann als Wasserstoff zu uns gelangen. Da Wasserstoff als solcher schwer zu transportieren ist, macht es Sinn, ihn chemisch so zu wandeln, dass er transportabel wird – zum Beispiel als synthetischer Kraftstoff.

Effizienz am Auspuff alleine ist nicht ausschlaggebend!

Produktionsanlagen für Wasserstoff und Wasserstoffprodukte (Derivate) können weltweit dort installiert werden, wo es unerschöpflich viel erneuerbare Energien gibt und dort, wo aufgrund starken Windes oder großer Sonneneinstrahlung keine oder kaum eine andere Landnutzung möglich ist. Wind- und PV-Anlagen können in manchen Regionen das siebenfache an erneuerbaren Energien „ernten“ als in Deutschland – und sind somit dort sehr viel effizienter einsetzbar. Die so „geerntete“ nachhaltige Energie ist einfach transportierbar – auch ohne Neubau-Pipelines als Wasserstoffderivate wie Ammoniak, Methanol, als Benzin, Diesel, Nafta oder ähnliche Kohlenwasserstoffe.

Wenn man die Effizienz also nur am Auspuff misst, vernachlässigt man viele andere Effizienzfragen. Ein faires Anrechnungssystem für klimaneutrale Kraftstoffe würde den wirklichen CO2-Einsparungen Rechnung tragen. Auf der anderen Seite sind elektrische Antriebe auch nicht dreimal so effizient wie andere Treibhausgaseinsparungsoptionen, nur weil Deutschland beschlossen hat, das so zu rechnen – zumal der Strom, der dort angerechnet wird, wieder zunehmend aus Kohle hergestellt wird.

In der Lebenszyklusanalyse zeigt sich, dass die Energieträger Strom (Direktelektrifizierung), Wasserstoff (Brennstoffzelle) und synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) bei der Effizienz gleich aufliegen. Warum also die Fokussierung allein auf Strom, wenn das Ziel ist fossiles CO2 zu sparen, um den Klimawandel zu bekämpfen.

Innovationsstandort Deutschland mit Partnerschaften stärken

Energiepartnerschaften mit Schwellenländern können vor Ort einen neuen Wirtschaftszweig etablieren und Arbeitsplätze schaffen. 470.000 Jobs können so alleine in Deutschland, 1,2 Mio in der EU entstehen. Deutschland kann auf seinen wichtigsten Rohstoff Know-how und die Job-Motoren wie Maschinenbau, Automobilindustrie und eine weit verflochtene Zuliefererindustrie weiter bauen, wenn es seine Industriestrategie technologieoffen und ingenieursbasiert zukunftsfit macht.

Die einseitigen Abhängigkeiten von Energielieferanten kann diversifiziert werden. Die breite staatliche Subventionierung von Klima- und Umweltprojekte könnte so auch privatwirtschaftlich und marktorientiert flankiert werden.

Mobilität schnell defossilisieren durch Beimischung

Der Mobilitätssektor verfehlt seit Jahren seine CO2-Minderungsziele. Mit der Beimischung fossilfreier flüssiger Kraftstoffe könnte schon heute eine viel größere Menge CO2 eingespart werden – mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren. Darüber hinaus ist die Umweltleistung synthetischer Kraft- und Brennstoffe viel besser als die fossiler und teilweise auch der von E-Autos – das zeigen Messungen, die fossile Kraftstoffe, synthetische Kraftstoffe und Elektromobile miteinander vergleichen.

Flexibilität in der Anwendung: One fits all

Fossilfreie synthetische Kraftstoffe sind DIN-konform und können in allen herkömmlichen Autos und Lkw verwendet werden, sie sind DIN-normiert und sofort einsatzbereit. Die meisten haben die gleiche hohe Energiedichte für große Reichweiten. So können auch ältere Autos weiter genutzt werden und dennoch klimaneutral fahren. Im Sinne der Lebenszyklusanalyse ist das sehr effizient.

Vorhandene Infrastruktur und Verteilsysteme weiter nutzen

Die Tankstellen (in Deutschland ca. 14.500) können weiter genutzt werden und die Verteilung (Tanklager, Tankschiffe und Tankwagen etc.) geschieht auf den gleichen Wegen wie mit fossilen Kraftstoffen – beides im Sinne volkswirtschaftlicher Effizienz der Nutzung und des notwendigen Wandels vorhandener Wertschöpfungsketten und Assets. So ist auch die Verteilinfrastruktur flexibel, ganz gleich, woher die klimaneutralen Kraftstoffe kommen.

E-Fuels und synthetische Kraftstoffe machen den Verbrenner klimaneutral

Jedes Auto und jeder Lkw mit einem Verbrennungsmotor kann damit betrieben werden – egal, ob aus biogenen Stoffen (Bio-Kraftstoffe aus Reststoffen) oder auf der Grundlage erneuerbaren Stroms produziert. Der Verbrennungsmotor wird so zum klimaneutralen Antrieb – und jede/r kann mit der eigenen Mobilität zum Klimaschutz beitragen. In Deutschland betrifft das 48,8 Mio. Pkw (EU: 246 Mio.) und 3,5 Mio. Lkw. In der EU sollen Prognosen zufolge im Jahr 2030 rund 355 Mio. Pkw. auf den Straßen sein. 87% der EU-Personenbeförderung erfolgt derzeit mit dem Pkw, 6% mit dem Zug.

Ausgereifte Motorentechnik weiter nutzen – weltweite Bestandsflotte klimaneutral stellen

Mit den ausgereiften Motorensystemen können nicht nur die bereits vorhandenen Innovationen weiter genutzt, sondern auch sehr viele Arbeitsplätze in der Auto- und Zulieferindustrie europaweit gesichert werden.

Hohe Energiedichte und leichter Transport für die gewohnte Tankzeit

Klimaneutrale Kraftstoffe sind Speicher erneuerbarer Energien – Sonne und Wind im Tank. Ihr Transport bis zur Tankstelle ist super einfach: in den bisher auch verwendeten Tankern und Tankwagen. Und: In synthetische strom- oder biobasierte Kraftstoffe passt mehr Energie als in eine Batterie!

Große Akzeptanz der Energiewende

Um ausreichend grünen Wasserstoff in Deutschland herzustellen, wären acht Prozent der Grundfläche Deutschlands notwendig. Bisher findet das Windenergie-Ausbauziel kaum Akzeptanz, weil Deutschland enger besiedelt ist als andere Weltgegenden, in denen es im Gegensatz dazu auch noch mehr Wind und Sonne gibt. Man würde dort quasi niemandem etwas wegnehmen. Darüber hinaus muss sich kein E-Auto kaufen, wer das nicht möchte oder aus unterschiedlichen Gründen nicht kann (ca. 2/3 der Deutschen ziehen den Verbrenner vor). Die raren Stromtankstellen und das Stromnetz würden so entlastet.

Marktchancen schaffen - Investitionssicherheit herstellen

Der politische Rahmen muss so angepasst werden, dass Investoren sicher sein können, dass ihre Investitionen in klimaneutrale Erzeugung von Kraftstoffen sich auch lohnen. Außerdem ist es derzeit unklar, ob diese klimaneutralen Kraftstoffe überhaupt importiert werden können, weil die Bestimmungen dazu sehr restriktiv sind.

Klimaneutrale Kraftstoffe werden zu vergleichbaren Preisen erhältlich sein

Solange die Wasserstoff-Erzeugung aus erneuerbarem Strom noch nicht in großen Mengen möglich ist, werden auch alle Produkte daraus teuer sein. Der Hochlauf der Wasserstoffindustrie ist weltweit in vollem Gange. Auch Länder, die ihre Volkswirtschaften auf fossilen Energieträgern aufgebaut haben, sind dabei, Wasserstoff-Strategien inklusive Derivat-Strategien aufzubauen. Der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft enthält aber auch Chancen für bisher wirtschaftlich weniger entwickelte Länder. Wie bei jedem neu eingeführten Produkt ist zu erwarten, dass die Preise anfangs noch hoch sein werden. Mittel- und langfristig und mit dem weltweiten Ausbau werden die Preise für synthetische klimaneutrale Kraftstoffe vergleichbar zu den heutigen Produktpreisen sein können – wenn sie nicht als „Champagner“, sondern wie fossile Kraftstoffe auch als „Commodity“ herstell- und handelbar sind, sprich der politische Regulierungsrahmen das zulässt.

 

Ansprechpartnerin
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Ulrike Tuchardt
Referentin Energiepolitik und Kommunikation
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