Talking Energy: Die Zukunft des nachhaltigen Schwerlastverkehrs
Am Abend des 16. Mai 2023 hieß der MEW zusammen mit zahlreichen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft den Sommer über den Dächern Berlins willkommen. Thema der Mai-Ausgabe der Veranstaltungsreihe Talking Energy war die „Zukunft des nachhaltigen Schwerlastverkehrs“.
Der Schwerlastverkehr ist für rund ein Drittel der CO2-Emissionen des Verkehrssektors verantwortlich und muss daher dringend defossilisiert werden. Die Ziele sind ambitioniert. Um mögliche Lösungsansätze für dieses Problem zu diskutieren, hatte die Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland (MEW) am 16. Mai 2023 zur vierten Auflage der Veranstaltungsreihe „Talking Energy“ Protagonisten der Branche und der Politik geladen: Prof Dr.-Ing. Klaus Bonhoff, Leiter der Abteilung Grundsatzangelegenheiten im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), André Steinau, Geschäftsführer von GP JOULE Hydrogen GmbH, Stefan Gelbhaar, MdB und Sprecher für Verkehrspolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Kurt-Christoph von Knobelsdorff, CEO & Sprecher der NOW GmbH, sowie Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV).
Dr. Uta Weiß, Vorstandsvorsitzende der Mittelständischen Energiewirtschaft Deutschland, unterstrich in ihrer Begrüßung der rund 100 Gäste die Rolle des Mittelstandes bei der Energiewende: „Der Mittelstand als Rückgrat der deutschen Wirtschaft widmet sich diesem Thema explizit und stellt sich den damit verbundenen Herausforderungen.“
Gemäß der BMDV-Verkehrsprognose wird ein Anstieg der Verkehrsleistungen im Schwerlastverkehr in den kommenden Jahren erwartet, so Prof. Bonhoff. Er erläuterte, welche regulatorischen und Fördermaßnahmen das BMDV getroffen hat, um den 28-prozentigen Anteil des Schwerlastverkehrs an den CO2-Emissionen des Verkehrssektors zu vermindern. „Klar ist, dass die Produktion alternativer Kraftstoffe noch teuer ist. Es ist aber durchaus sinnvoll, einen industriepolitischen Ansatz zu verfolgen, bei dem Deutschland auf einem globalen Markt grüner Moleküle die Rolle des Technologieführers einnehmen kann.“
André Steinau unterstrich die Bedeutung lokaler und regionaler Ansätze beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft. Sein Unternehmen GP JOULE bietet wasserstoffbasierte Insellösungen an, die beispielsweise die Produktion von grünem Wasserstoff aus erneuerbaren Energien und Wasserstofftankstellen für interessierte Abnehmer bereitstellt. „Die Einbindung der Menschen vor Ort in die Geschäftsmodelle schafft Akzeptanz. So kann der Bürger erkennen, dass er direkt zur grünen Mobilität beiträgt.“ Er benannte aber auch Herausforderungen wie die langen Genehmigungsverfahren, die bisher noch ungeklärte Anrechnung auf die THG-Quoten sowie großen Mengen an Wasserstoff, die für die Betankung von Lkw erforderlich sind. Steinau wünscht sich, dass Förderprogramme verstetigt werden, um Sicherheit für Investitionen zu schaffen.
In der anschließenden Diskussion wurde die gesamte Bandbreite der Herausforderungen in der Defossilisierung des Schwerlastverkehrs deutlich. Gefragt nach der langen Anlaufphase für klimaneutralen Schwerlastverkehr zeigte sich Stefan Gelbhaar zuversichtlich, dass das Tempo rasch zunehmen wird: „Beim Lkw sind die Emotionen weniger ausgeprägt wie beim Pkw, deshalb kann dieser Bereich schneller dekarbonisiert werden.“ Zur Technologieentscheidung sagte er: „Die Branche erwartet vom Staat Geld, das kann der Staat nicht mit der Gießkanne verteilen. So muss es auch eine Entscheidung für Technologien geben, die schon vorhanden sind.“
Frank Huster thematisierte die Frage, wie Anreize zur Umstellung auf klimaneutrale Antriebe gesetzt werden sollten: „Für die Logistikbranche gelten für alternative Antriebe folgende technologieoffenen Merkmale: Das jeweilige Fahrzeug muss einen echten Umweltvorteil bieten, wir brauchen eine flächendeckende Ladeinfrastruktur in Europa und am Ende müssen die TCO (Total Cost of Ownership) stimmen. Aus eigener Kraft wird der Markt heute nicht für die Wende sorgen können." Hierfür brauche es einen Mix aus finanzieller Förderung und legislativem Druck. Die zum 1. Dezember 2023 geplante Mauterhöhung werde aufgrund fehlender Alternativen aber ihre Lenkungswirkung verfehlen. Es bedürfe deshalb eines Anrechnungsmechanismus für alternative Kraftstoffe.
Kurt-Christoph von Knobelsdorff ging auf die Herausforderungen des Ladens beim Lkw ein: „Im Unterschied zum Pkw, wo an vielen Stellen kleine Mengen an Strom aus dem Netz genommen werden, sind es beim Lkw an einer überschaubaren Anzahl von Ladepunkten enorme Mengen. Die damit verbundenen Herausforderungen an die Stromnetze werden in Deutschland noch nicht in angemessener Weise diskutiert.“ Dass im Mautentwurf alternative Kraftstoffe nicht erfasst sind, hätte vermutlich einen praktischen Grund: „Beim Lkw mit Verbrennungsmotor sieht man nicht, ob nachhaltiger Kraftstoff getankt wurde. Die Kontrolle, ob die Voraussetzungen für die Befreiung vorliegen, ist also schwieriger als bei Lkw mit alternativen Antrieben.“
Der fachliche Austausch und angeregte Diskussionen wurden im Nachgang auf der Terrasse und bei einem wunderbaren Ausblick auf Berlin fortgeführt.
Die Position des MEW zur geplanten Maut für den Schwerlastverkehr finden Sie übrigens auf der Webseite.